kreuzberger dichtungswerk

Sabine Wilde, Corona Surrealismus

Aus dunklen Wolken ergießt sich  feine Asche,
schachfigurenähnlich eilen Menschen in ihre Wohnkaten,
vermummte Gesichter fast ohne Erkennungswert,
aus den Fenstern gleitet ein wildes Flackern,
Vor dem Supermarkt hin- und her wedelnde Wartende.

Aerosolgetränkte Masken triefen über blasse Wangen,
ein Schutzloser wird aus der Apotheke getrieben.
Verrammelte Läden, blankgefegte, graue Strassen,
das Durchatmen stockt, die Brust ist aus Blei,
Kriegserinnerungen wabern in der trüben Luft.

Revolten für die Normalität erkämpfen sich ins Leere,
Wie polierte Totenköpfe glänzt die keimende Gewalt,
Sterbezahlen leuchten, drohend und hoffnungslos,
die Alten werden zu Zuchthäuslern ohne Schuld,
die Frommen beten auf quietschnassen Wiesen.

Das Land atmet zitternd Depressionen aus,
es träumt von orangenen Sommern und ganzen Gesichtern,
Politiker hauchen ihre Hilflosigkeit ins Parlament,
Impfungen, Halteseile mit noch lockerem Stand,
Hoffnung verfliegt in der Unkalkulierbarkeit der Zeit


Ein Bild, überzeichnet?  Übertrieben?
Aber ist die Angst nicht real?

2 Kommentare

  1. Ein großartiges Gedicht. Mit Bildern, die stimmen, stimmen, schrecklich stimmen. Nichts ist überzeichnet, die Angst macht hier hellsichtig. Kann man Besseres über Kunst sagen?

  2. Ja, es ist ein überwältigendes Gedicht, es überwältigt uns durch seine Bilder, durch die Gefühle, die es transportiert und die wir alle kennen.
    Zum Glück ist nicht jeder Tag so düster wie der im Gedicht beschriebene, zum Glück finden wir manchmal noch Gründe zum Lachen. Und zum Hoffen.
    Und doch gibt es die Düsternis. Sie ist immer mit uns.

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