Uta Schönharting, Endlos

Kurze Prosa

Der erste Frühlingstag im Schloßpark, ich schlängele mich an den Blumenrabatten entlang und male mit dem Finger die kunstvollen barocken Muster nach, setze mich auf den sonnenwarmen Brunnenrand und halte das Gesicht in das Licht.

Plötzlich zwitschern neben mir die Schwestern meiner Station des Krankenhauses, in das ich eingewiesen bin. „Hallo“, sage ich, „ist die Visite schon vorbei?“ “Wo?“, fragen sie. „Na, auf der 5a, ich müßte eigentlich dort sein.“ „Sie? Wir kennen sie nicht.“ „Aber natürlich, Zimmer 530.“ „Ach nein, Sie machen Späße, die Dame ist viel schlanker als Sie und trägt Hörgeräte“, und sie entfernen sich lachend, „Die ist dement!“

Verwirrt gehe ich durch den Park zurück zum Krankenhaus, grüße Mitpatienten auf dem Weg, aber die drehen sich alle von mir ab und tuscheln. Das kann doch nur ein schlechter Traum sein, denke ich und haste in mein Zimmer 530.

Und liege im Bett. Zwei Schwestern beugen sich über mich. „Sie muß Fieber haben, oder was sonst?“ „Das bin ich“, rufe ich. Die im Bett schlägt die Augen kurz auf und murmelt: “Da bist du ja“, als vom Flur die 530 zur Visite gerufen wird. Wir erschrecken beide heftig. “Bleib hier!“, ruft die aus dem Bett verzweifelt, aber ich laufe schon auf dem Flur hinter der weiß vor mir auffliegenden Visite her und schleiche mich unbemerkt die Treppe in den Garten hinunter. Es ist so ein schöner Frühlingstag.

Die im Bett stöhnt. “Was ist denn?“, fragt besorgt die Schwester und streicht ihr über die Stirn. „Ach, ich hatte so einen sonderbaren Traum, ich ging am ersten Frühlingstag im Schloßgarten spazieren, an den Blumenrabatten entlang zeichnete ich mit dem Finger die barocken Linien nach und setzte mich auf den warmen Brunnenrand in die Sonne. Da setztet ihr euch neben mich und habt mich nicht erkannt…

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